Manchmal vergesse ich, was es heißt während der Regenzeit in der Nähe des Äquators zu wohnen. Und dazu noch in einer besonders regenreichen Bergregion: es regnet immer wieder lange und intensiv. Schon in der Nacht bin ich durch das Trommeln auf das Wellblechdach aufgewacht, aber dann ziemlich schnell wieder weggeschlummert. Als es morgens immer noch heftig regnete, habe ich das Frühstück erst mal ein wenig nach hinten geschoben. Denn ich muss durchs Freie über ein seehr nasse Wiese, bevor ich im Restaurant im Trockenen sitze.
Als es endlich aufgehört hat zu regnen und Isaac sich noch nicht zu meinem Tagesprogramm gemeldet hat, habe ich erst einmal die Kontakte nach Hause gepflegt. Die Verbindung über das mobile Datennetz ist zwar nicht super, aber es reicht für Whatsapp und Co. Zumindest solange ich hier auf dem Gelände an der richtigen Stelle sitze. Da heute Feiertag in Deutschland ist (heute ist Christi Himmelfahrt) sind die meisten zu Hause gut erreichbar.
Später habe ich dann mein sehr interessantes Buch “Anfänge – Eine neue Geschichte der Menschheit” weitergelesen. Es passt sehr gut zu meiner derzeitigen Sichtweise als “Weisser” auf Afrika. Denn die beiden Autoren, darunter der ziemlich bekannt Anthropologe David Gräber, fordern uns zu einem radikalen Perspektivwechsel zu unserer Geschichtsinterpretation heraus. Genau genommen geht es um die in Frage gestellte unabwendbare Entwicklung unserer westlichen Zivilisation seit Hobbes und Rousseau zu einem System weit verbreiteter Unfreiheit und Ungleichheit.
Unter anderen geht es um unsere Sicht und die unserer Vorfahren auf die “entdeckten” indigenen Völker. Ich bin zwar erst am Anfang des Buches, aber eine spannende Frage scheint zu sein, welche Seite denn damals wirklich zivilisert und fortgeschritten war und welche nicht. So schrieben die ersten französischen Einwanderer über die indigenen Amerikaner: “Sie haben keine Gerichtsverfahren und geben wenig auf die Güter des Lebens, für welche wir Christen uns so quälen; und für unsere exzessive und unstillbare Gier, diese zu erlangen, werden wir durch ihr ruhiges Leben und ihre friedliche Gesinnung zu Recht ermahnt.” Dafür das der Text vor 400 Jahren geschrieben wurde, ist er erschreckend aktuell. Ich bin sicher, das mich dieses Thema noch einige Zeit beschäftigen wird.
Nachmittags konnte ich mich wieder profanen Themen wie der Finanzierung von Entwicklungsprojekten zuwenden. Mit Isaac bin ich ins Projektbüro gefahren, aber da der Elektriker das Thema Strom immer noch nicht zufriedenstellend gelöst hat, sind wir in eine Art Restaurant gefahren. Da gab es zwar kein Internet, aber Strom. Das Wlan mussten wir über unsere Handys herstellen, was keine ideale Lösung ist.
Zumindest konnten wir mit der Recherche zu möglichen Geldgebern für die lokalen Projekte starten. Das Thema ist sehr aufwändig und mühsam, aber ein Stück sind wir weitergekommen. Es gibt sehr viele Projekte, die Hilfe benötigen würden, aber nur eine überschaubare Anzahl von Stiftungen, die sich in dem Bereich engagieren und offen für neue Projekte sind.